Miriam erwachte vom Geschmack ihres Blutes im
Mund. Ein grelles Licht blendete sie. Sie schloß ihre Augen und
öffnete sie wieder ... Sie spürte ihr pochendes Herz in den Ohren.
Ihre Haut fühlte sich warm an. Durch die zerborstene Glasscheibe erkannte
sie die geneigte Außenwand der Kapsel. Jede Schweißnaht und jeder
Kratzer waren deutlich zu sehen. Um sich herum nahm sie das Knarzen des Schiffes
wahr, einen sanften Windhauch und das Pochen der Herzen ihrer Crew, das das
gesamte Kältedeck erfüllte.
Vorsichtig hob sie ihre Hand. Auf ihrem Bauch fühlte sie etwas Klebriges
und eine harte kalte Spitze, die in ihrem Körper steckte.
Blut und Glas. Bruchstücke...
Sie schloß erneut die Augen und konzentrierte sich. Es mußte
ihr gelingen, aus dem zufälligen Strom der Eindrücke das Konkrete,
Kleine, Naheliegende herauszufiltern. Ihre Lippen bewegten sich, als sie
begann, Gebete zu murmeln, die sie auf der Erde gelernt hatte und die ihr
stets - auch in schweren Stunden - geholfen hatten.
Ihr Herz raste, die Erregung, die ihren hyperkinetischen Körper ergriffen
hatte, wuchs. Sie konnte ihre Hände frei bewegen. Blut an den Fingern,
geborstenes Glas und ein Metallwrack, was einst ein Raumschiff gewesen war.
Doch sie lebte. Sie war in Licht, gleißendes Licht eines nahen Sternes
oder einer Vision getaucht; Licht, nach dem sie auf der Erde immer gesucht
hatte.
Erneut bewegte sie die Hand. Dieses Mal in Richtung ihres Halses, um den
sie einst ein kleines metallenes Kreuz getragen hatte. Es muß irgendwo
neben ihr liegen ... sie hatte es während des Kälteschlafs nicht
anlegen dürfen, doch sie konnte sich das kühle Kreuz auf ihrer
Haut vorstellen.
Miriam.
Eine Stimme und ein Licht. Sie richtete sich langsam auf, um die Quelle zu
sehen.
Gedankenfetzen schossen ihr durch Kopf: Die Mission. Die Menschen um sie
herum. Ihr Körper verletzt, ihr Blut plötzlich sterblich wie das
Blut der Menschen. Wie hatte ihr Mentor den menschlichen Körper genannt?
Ein "zerbrechliches Vehikel für die Seele".
Sie konzentrierte sich auf die pochenden Herzen. Ihr eigener Puls raste.
Der Computer, der ihre Vitalfunktionen überwachte, überflutete
sie mit einem Cocktail aus Drogen, Medikamenten und hatte nur das eine Ziel:
sie am Leben zu erhalten.
Miriam!
Wieder diese Stimme. Das Glas begann sich zu bewegen und zusätzliches
Licht überflutete sie. Dann erkannte sie einen Schatten, eine Hand,
die sie ergriff und nach oben zog.
Als sie sich aus der sargähnlichen Kapsel erhob, wußte sie, daß
Gott sie verschont hatte. Sie lebte. Kein Schatten würde ihr den Weg
auf ihrer einzig wahrhaftigen Mission versperren - eine Mission, gegen die
dieses Schiff und seine gesamte Besatzung nichts als ein Funken in einem
lodernden Scheiterhaufen waren.
Ein Arm legte sich um ihren Körper und sie genoß seine wohltuende
Wärme. Wiederbelebung
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