2. Teil : Das Treibhaus
 
 
Reise nach Centauri: 12. Kapitel
 
Deirdre Skye strich über ihren Uniformkragen und schaute nach draußen durch die transparenten Konsolen des Hydrokultur-Moduls 1 und verfolgte ihren Weg durch die Weiten des Schiffes bis hin zur Außenhülle. Dahinter konnte sie die unendliche Weite des Weltraums sehen, die Sterne, wie sie an der Unity vorbeiflogen. Von diesem Aussichtspunkt aus, an der Ecke von Modul 1 sah sie auch die Oberfläche des Schiffs, wie sich die merkwürdig geformten Metallstücke über einer verbrannten und verwüsteten Szenerie erstreckten, Mahnmale ihrer Kollision.

Jenseits der zerstörten Stelle konnte sie Kältedeck 7 und die dazugehörigen Lebensräume ausmachen. Eine Ecke des Zylinders war eingedrückt, aber ansonsten schien alles in Ordnung zu sein. Sie hatten immer noch keinen Kontakt mit diesem Deck, immer noch kein Lebenszeichen. Es war dieser Anblick der verbrannten Umgebung jenseits der Fenster, der sie dazu verleitet hatte, den Captain zur Vorsicht zu mahnen, als Zakharov den Impuls-Test forcieren wollte.

"Deirdre."

Sie drehte sich um und sah, wie der Captain auf sie zukam, sich einen Weg durch das dichte Geäst einiger Zwerg-Avokados bahnend. In der Nähe waren zwei ihrer Leute damit beschäftigt, die harten grünen Früchte in eine ultraleichte Kühlbox zu legen.

"Captain." Sie nahm einen Schluck aus dem silbernen Becher in ihrer rechten Hand und schaute hinüber zur Klimakontroll-Anzeige des Gewächshauses.

"Wie steht's um die Gärten?"

"Eigentlich ganz gut. Die Pflanzen wurden für unsere Reise in künstlich verlängerte Wachstumszyklen gebracht, während derer sie zunächst blühten, dann ihre Früchte in Kompost-Behälter warfen, und der gleiche Lebenszyklus wieder von vorne begann." Sie drehte sich zum ihm um. "Wir vergessen immer, daß sie all das auch ohne menschliche Hilfe können. So war es schon immer, seit Anbeginn der Zeit."

"Und jetzt greifen wir wieder ein?"

"Ich habe die Wachstumszyklen verkürzt und die Düngung erhöht. Alle derzeit früchtetragenden Pflanzen werden geerntet und die Früchte gelagert." Sie hielt inne. "Fast ein Drittel der Pflanzen ist während der Reise eingegangen, ein bißchen weniger, als ich erwartet habe. Der Rest scheint alles ganz gut zu verkraften, offensichtlich sogar besser als unsere Besatzung."

Garland lächelte grimmig. "Ich bin auf dem Weg zum Waffendeck, um mir das Ausmaß des Schadens selber anzusehen. Zwei Besatzungsmitglieder sind umgekommen, einer befindet sich in medizinischer Betreuung. Zakharov ... "

Er unterbrach sich und schien seine Worte noch einmal zu überdenken. "Zakharovs Leute werden zurückkommen und die Abschlußtests hier durchführen. Sie glauben, daß sie eine Spannungsdichtung an den verwundbarsten Leisten anbringen können, wodurch das Modul wieder in Ordnung sein sollte. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit ... aber es wird einige kalkulierbare Risiken geben."

Deirdre nickte. "Ja, Sir", sagte sie und wendete sich wieder der schwarzen Nacht draußen zu.

"Und wie ich bereits sagte, seien Sie vorsichtig. Santiagos Leute scheinen auf Deck 2 isoliert zu sein, aber wir sind uns da nicht ganz sicher. Behalten Sie die Tür im Auge, wir werden noch ein paar Waffen hierherbringen. Wir werden auch weiterhin versuchen, auf friedlichem Weg eine Lösung zu finden."

Deirdre nickte erneut. Der Captain drehte sich um und ging zum Ausgang, weiter in Richtung Waffenkammer. Deirdre sah seine Reflexionen in den Leisten, schaute ihm gedankenverloren nach, wie er förmlich von den Sternen aufgesogen wurde. Sie bemerkte auch die Splitterpistole an seiner Hüfte und die Anspannung, die bei jedem seiner Schritte zu sehen war.

Santiagos Augen wanderten zur Leiste an ihrem Handgelenk, weil einige ankommende Informationen ihre Aufmerksamkeit erregten. Yang, gefesselt und von zwei ihrer Leute festgehalten, fühlte eine Welle der Bewunderung in sich aufsteigen, als er die schlangengleichen schnellen Bewegungen bemerkte.

"Pravin Lal hat auf einem unverschlüsselten Kanal eine Nachricht an den Captain geschickt. Sie haben das Waffendeck gesichert und Eckert ist in Folge des Angriffs umgekommen." Ihr Gesicht verdüsterte sich, als sie die Neuigkeiten erfuhr. "Schade. Ich habe nicht damit gerechnet, daß sie mit so wenig Besatzungsmitgliedern zum Waffendeck kommen würden."

Sie schaute sich um. Alle ihre Leute standen stramm und erwarteten die nächsten Befehle, verschwendeten weder Zeit noch Atem.

"Jerek, wissen wir, wie viele Besatzungsmitglieder wach sind?"

Ein kräftiger Mann mit scharfen Gesichtszügen trat hervor. "Das können wir von hier aus nicht feststellen, Colonel. Wir werden das erst wissen, wenn unser Abgesandter im Kommando-Modul angekommen ist. Aber wir wissen, daß das Schiff beschädigt wurde. Sie werden einige Leute vom Sicherheitspersonal geweckt haben, um das Problem zu beheben."

Santiago nickte. "Unsere Situation ist prekärer, als ich dachte, aber solche Umstände erfordern sofortiges Handeln. Laßt uns auf diesem Deck eine Grenze ziehen. Zehn von Euch durchkämmen das Schiff ... mit äußerster Vorsicht. Bitte keine Auseinandersetzungen mit Ingenieuren, es sei denn, Ihr werdet angegriffen. Wir müssen ihre verwundbarsten Stellen finden."

Kurzes Kopfnicken, und die Krieger begannen auszuschwärmen.

"Wir benötigen Informationen. Wir haben mehr Waffen; ich sollte mich nicht so hilflos fühlen." Ihre Augen wanderten zu Yang, der sie kalt ansah. "Bringt ihn in einen Lagerraum. Fesselt ihn gut und redet nicht mit ihm. Er ist keiner von uns."

  Logbuch-Eintrag erhalten,
Deirdre Skye, Chef-Botanikerin.

Die Pflanzen in Hydrokultur-Modul 1 scheinen
relativ gesund zu sein, insgesamt gesehen.
Circa zwei Drittel haben die Reise gut
überstanden, lebten ihre Lebenszyklen, wie sie
es immer taten, auch Millionen Meilen von der
Heimat entfernt.

In der Tat, da sich alle von uns im
Kälteschlaf befanden, muß sich hier der Garten
Eden wieder entwickelt haben, reich und
wunderschön, in Erwartung der schlafenden
Menschheit.

Ich habe fast meine gesamte Zeit hier
verbracht, die wohlriechende Luft einatmend,
die Konsistenz der Erde überprüfend. Ich
pflückte und schnitt eine Zitrone heute ...
der bittere Geruch, den sie verströmte, als
ich in die Schale schnitt, erinnerte mich an
zu Hause.